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Zinn!Schulleben

Entwicklungen, Kommentare, Materialien, Termine, Schüler-Homepages

Das Wort des Jahres(1):
"Weil er nicht wusste, wie man unterrichtete, war Sugar Ray ein guter Lehrer."
(Michael Connelly, "Letzte Warnung", Heyne 2005)
Das Wort des Jahres(2):
"Normalerweise bilden Lehrer Lehrer weiter.
Etwas Öderes kann ich mir gar nicht vorstellen."
(Zitat aus
"Zeit", Nr. 44/2002, S. 46)
Das Wort des Jahres(3):
"Wer es kann, der tut es.
Wer es nicht kann, der lehrt es."
(George Bernard Shaw, irischer Dramatiker, 1856-1950)



 

Das schulische Leitbild - zwischen Corporate Identity, Corporate Design und Corporate Reality

In Unternehmen längst üblich, sind sie nun auch an den Schulen angekommen: "Leitbilder" als Vision und Selbstverpflichtung. Sie sollen auf dem Weg zur "eigenständigen Schule" voranbringen und in einem umfassenden, ergebnisoffenen Diskussionsprozess "vor Ort" erarbeitet werden. Soweit die Theorie.

Löblich, dass nun auch auf Schulebene - ja sogar auf "Lehrerebene"! - über derart grundsätzliche Fragen nachgedacht werden darf. Schien doch bisher alles, in jedem noch so winzigen Detail, durch Gesetze, Verordnungen und Dienstanweisungen reglementiert. Doch nur naive Gemüter konnten hoffen, wenigstens im Prozess der Erarbeitung eines schulischen Leitbilds seien die Machtverhältnisse an der Schule aufgehoben ...

Das folgende (fiktive!!!) Leitbild überzeichnet natürlich, wie jede Satire. "Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen und Ereignissen", wie es immer so schön heisst, sind dennoch leider nicht ausgeschlossen. Wie bei jeder Satire.

Leitbild der Louis-Quatorze-Realschule

1. Die Louis-Quatorze-Realschule ist eine allgemeinbildende Schule mit einem breiten Fächerkanon.

2. Wir beachten die für die Schulen geltenden Gesetze und Verordnungen. Ausnahmen bestimmt der Schulleiter.

3. Wir setzen in unserer Arbeit gesicherte Erkenntnisse der Pädagogik, Psychologie und Didaktik in erzieherisches Unterrichtshandeln um. Welche Erkenntnisse als gesichert gelten bestimmt der Schulleiter.

4. Wir respektieren die Rechte von SchülerInnen, KollegInnen und Vorgesetzten. Die Definition dieser Rechte obliegt dem Schulleiter. Er kann diese Rechte jederzeit ändern oder entziehen.

5. Der reibungslose Ablauf aller schulischen Vorgänge ist uns ein hohes Ziel. Wir treten allen Versuchen entschieden entgegen, diesen reibungslosen Ablauf durch Kritik, Widerspruch oder zeitraubende Diskussionen zu behindern.

6. Konkret verpflichten wir uns, zu einer Verlangsamung des weltweiten Temperaturanstiegs beizutragen.


Keine der Personen oder Geschehnisse im Buch darf mit wirklichen Personen oder Geschehnissen verwechselt werden. Dafür ist die Wirklichkeit viel zu unglaubwürdig.
Aus dem Vorwort eines Buches von Jo Nesbø

 

 

 

Das Zitat (1):
Aus der "Welt am Sonntag" vom 23. Mai 2004 (Ausgabe 21/2004)

Zum Thema "Eliteschule" äussert sich Enja Riegel, 19 Jahre lang Schulleiterin der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden (der beim PISA-Test mit Abstand besten deutschen Schule), in einem Beitrag für die WamS.

Elite ohne Leistungsdruck
Wie werden Kinder klüger? Indem Lehrer weniger auf Noten achten. Ein Bericht von der laut Pisa-Test besten Schule Deutschlands
Von Enja Riegel

(...) "Das verstehe ich unter einer Eliteschule: Wenn es eine Schule schafft, jeden ihrer Schüler an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu führen, und wenn es einer Schule gleichzeitig gelingt, bei Schülern Selbstbewusstsein und Teamgeist gleichermaßen zu wecken und zu verankern, dann hat sie das getan, was ihr möglich war, damit ihre Schüler später einmal als Bürger, in ihrem jeweiligen Beruf und hoffentlich auch als Mit-Menschen tatsächlich Mitglieder einer "Elite" sind. Noten sind dafür als Mittel völlig ungeeignet."

Zum Thema "Noten" fährt Enja Riegel fort:
"Natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass die Noten, die ein Kind oder ein Jugendlicher in der Schule bekommt, nicht alle Fähigkeiten abbilden, die diesen jungen Menschen auszeichnen, und nur sehr eingeschränkt Voraussagen erlauben, was es später zu leisten im Stande sein wird. Kein nachdenklicher Erwachsener würde dem widersprechen. Aber gleichzeitig nehmen wir es wie ein Schicksal hin, dass diese Noten Lebenswege eröffnen oder verbauen. (...) Das Wort "gut" ist ein beschreibendes und wertendes Adjektiv. Als Zensur in der Schule kann es im deutschen System auch durch die Ziffer 2 ersetzt werden, ebenso wie die Bewertung "ausreichend" durch die Ziffer 4. Diese Ziffernnoten täuschen eine Objektivität vor, die wertende Urteile grundsätzlich nicht haben. Ziffernnoten kann man zusammenzählen, man kann (und das geschieht in Deutschland) "Durchschnittsnoten" errechnen, die dann auf eine Dezimalstelle hinter dem Komma auf- oder abgerundet werden. Das wirkt wie exakte Mathematik und ist doch ein absurdes Verfahren, weil es so tut, als sei der Abstand zwischen einer "Zwei" und einer "Drei" ebenso groß wie der zwischen einer "Vier" und einer "Fünf" oder als bedeute eine "Drei" in allen Fächern jeweils das Gleiche, zumindest innerhalb der Gruppe der Hauptfächer beziehungsweise der Nebenfächer. Die mathematische Form suggeriert, es handele sich um exakte Messergebnisse, so als habe jemand von einem sehr genauen Thermometer während einiger Monate täglich fünfmal die Temperatur abgelesen und in eine Tabelle eingetragen. Jeder auch nur einigermaßen selbstkritische Lehrer weiß (und umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben das in den letzten fünf Jahrzehnten immer wieder bestätigt), dass diese Exaktheit eine Fiktion ist.
Die gleiche "Leistung" wird, wenn man umfangreiche Blindversuche macht, selbst in Mathematik von verschiedenen Beurteilern unterschiedlich bewertet, wobei Abweichungen von mehreren Notenstufen möglich sind. Am ehesten scheinen innerhalb einer Klasse die Zensuren eines Faches noch eine Rangordnung der "Leistungen" abzubilden, aber selbst das gilt nur mit erheblichen Einschränkungen."

(Hervorhebung durch Schulchemie-Website)

Ergänzend
a) aus einem Beitrag von Paavo Lipponen, von 1995 bis 2003 Ministerpräsident des europäischen PISA-Siegers Finnland, in "Die Zeit" vom 18. August 2005:
(...) "Das finnische Schulsystem steigert das Innovationspotenzial der Gesellschaft, indem es zu selbständigem Arbeiten anspornt und stures Auswendiglernen sowie Leistungswettbewerb zwischen Schülern vermeidet. Die Schüler schreiten im eigenen Tempo voran. Es geht dabei nicht um Gleichmacherei. Jeder Schüler erhält die Aufmerksamkeit, die seinem jeweiligen Lernfortschritt entspricht. Besonders wichtige Faktoren sind die gute Hochschulausbildung von Lehrern (zu der auch die laufende Fortbildung während ihres Berufslebens gehört) sowie die Arbeitsmotivation durch eine Organisation ohne strenge Hierarchien."

b) aus der Kritik deutscher Erziehungswissenschaftler an der gegenwärtigen Entwicklung an Schulen und Hochschulen ("FAZ" vom 15. August 2005):
(...) "Sowohl die Ergebnisse der PISA-Studien als auch der sogenannte Bologna-Prozess nährten Steuerungs- und Kontrollillusionen, die schon in den siebziger Jahren enttäuscht wurden, heißt es in einem Papier mit fünf Einsprüchen unter dem Titel 'Das Bildungswesen ist kein Wirtschaftsbetrieb'." (...) "Wer jedoch betriebswirtschaftliche Denk- und Handlungsmuster zu dominierenden Maßstäben für die Arbeit in Schulen und Universitäten erhebe, dränge die Schulen dazu, sich von weniger erfolgreichen Schülern zu entlasten." (...) "Außerdem wenden sich die Erziehungswissenschaftler gegen die Behauptung, bei der gegenwärtigen Umorganisation von Bildungsinstitutionen gehe es um mehr Autonomie von Schule und Hochschule. (...) Die angebliche Autonomie erweise sich als verschärfte Fremdbestimmung. Denn selbstverantwortete Praxis werde durch erzwungene Kontroll-, Evaluierungs- und Akkreditierungsregularien erstickt". (...) "Universitäre Bildung durch Wissenschaft sei die Voraussetzung für die wachsende Urteilsfähigkeit und gedankliche Selbständigkeit auch der Lehrer. Wer die Studierenden um die 'ungegängelte Begegnung mit offenen Forschungsfragen' bringe und statt dessen auf die Aneignung beruflicher Fertigkeiten verkürze, degradiere Lehrer zu 'Instruktionsangestellten'. Sie könnten dann nur noch Anweisungen folgen, die höheren Orts für sie entworfen würden."

 

(Hervorhebung durch Schulchemie-Website)

 

 

Das Zitat (2):
Dr. Stefan Marcinowski, Vorsitzender des Kuratoriums des Fonds der Chemischen Industrie, vor der Presse in Frankfurt am 23. April 2001 (Vorstellung der "Schulpartnerschaft Chemie")
"Sehr geehrte Damen und Herren,
nicht alle von uns haben die besten Erinnerungen an den erlebten Chemieunterricht: wenige, manchmal auch misslungene Experimente, langweilige Vorträge über komplizierte Theorien. Andererseits gibt es auch positive Beispiele: engagierte, lebensnahe, Neugierde weckende und Wissen vermittelnde Unterrichtsstunden, bei denen der Funke vom Lehrer auf die Schüler überspringt. Genau diese Art von Unterricht wollen wir unterstützen und fördern, um auf diese Weise zu helfen, den Chemieunterricht attraktiver zu machen." (..)
"Wir wollen damit bei den Schülern Begeisterung für die Chemie und angrenzende Fächer wecken. Allgemeines Verständnis und Akzeptanz für die Chemie als Zukunftswissenschaft und -technologie wollen wir mit unserem Programm ebenfalls ausbauen." (..) "Denn die Weichenstellung für die Berufswahl fällt nicht erst in zeitlicher Nähe zum Abitur. Untersuchungen zeigen, dass diese Entscheidung viel früher, etwa schon in der Mittelstufe, vorgeprägt wird. Ein Schlüssel zum Erfolg liegt deshalb in der Stärkung des regulären Chemieunterrichtes. Dort erreichen wir die potenziellen Techniker, Ingenieure und Chemiker von morgen." (..)
(Hervorhebungen durch Schulchemie-Website)

 

 

Das Zitat (3): Natur- und Geisteswissenschaften
Ernst Peter Fischer, Professor für Wissenschaftsgeschichte in Konstanz, im "Spiegel"-Gespräch Ausgabe 15.10.2001 zur Bedeutung der Naturwissenschaften in der Bildung:
SPIEGEL: Und wie definieren Sie Bildung?
Fischer: Für mich ist gebildet, wer sich über Fragen der Welt so unterhalten kann, dass es ihm Gewinn und Genuss bringt. (...) Es ist heute ja durchaus schick, damit zu kokettieren, dass man Kopernikus nicht kenne oder Richard Feynman, während niemand damit prahlen würde, von Shakespeare nie gehört zu haben.
(...)
Seit Galilei, Kepler und Newton herrscht in Europa eine Gesellschaft, die von wissenschaftlichen Leistungen getragen wird - ich bin überzeugt davon, dass zumindest die letzten 400 Jahre unserer Geschichte ohne die grundlegende Kenntnis der Wissenschaft gar nicht zu verstehen ist. (...)
SPIEGEL: Braucht man dann noch Robert Musil oder Ingeborg Bachmann, um die Welt zu verstehen?
Fischer: (...) Ganz grundsätzlich gilt: Literarische Texte sind genauso wichtig wie naturwissenschaftliche. Dietrich Schwanitz, der ja auch einen Bildungskanon verfasst hat, tritt mit dem typischen Hochmut des Geisteswissenschaftlers an. Das will ich gar nicht. Ich will auf keinen Fall behaupten, dass die Naturwissenschaften das höhere Bildungsgut wären. (...)
Zitate:
"So bedauerlich es manchem erscheinen mag: Naturwissenschaftliche Kenntnisse müssen zwar nicht versteckt werden, aber zur Bildung gehören sie nicht" (Dietrich Schwanitz in "Bildung" [1999]).
"In seiner Not greift er [Schwanitz] zu einem Trick und erklärt einfach das zur Bildung, was seinen Horizont nicht übersteigt" (Ernst P. Fischer in "Die andere Bildung" [2002]).
"Um Zeit für die Aufgaben am Nachmittag in der Schule zu gewinnen, müssten Stunden in Chemie, Physik oder Biologie gestrichen werden, stellte Oettinger fest" (der baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger lt. "Südkurier" [Konstanz] vom 07.02.2008 zur geplanten Reform des achtjährigen Gymnasiums [G 8]).
Die Realität:
Die deutschen Kultusminister scheinen ebenfalls eher Schwanitz-Fans zu sein: nach einer Analyse der Lehrpläne für den Sachunterricht in der Grundschule sind die Fächer Chemie, Physik und Technik mit lediglich 14 Prozent und Biologie mit 15 Prozent vertreten (Björn Risch/Gisela Lück [2004], zitiert in "Erziehung und Wissenschaft" 12/2007). In den Schulen der Sekundarstufe I zeigt sich nach einer Untersuchung von Beate Blaseio [2004], dass im Durchschnitt aller Bundesländer die naturwissenschaftlichen Fächer (einschließlich Technik) gerade mal 13 Prozent des Stundenvolumens halten (ebenfalls zitiert in "Erziehung und Wissenschaft" 12/2007)...

 

 

Das Zitat (4): ... so zwitschern auch die Jungen: Mobbing-Vorbild im Lehrerzimmer

Ein Bericht über die Banalität des Bösen,
die
Erbärmlichkeit des Opportunismus
und das Ende der Pädagogik.

 

Ergebnisse einer Untersuchung der Universität Chemnitz, veröffentlicht in der "FAZ" vom 04.01.2002:

Strebervorwurf hemmt begabte Schüler

Chemnitz, 3. Januar (KNA). Talentierte deutsche Schüler leiden unter dem Vorwurf, Streber zu sein. Insbesondere Mädchen schöpfen ihr Leistungsvermögen aus Sorge um ihren Ruf in der Klasse nicht aus. Das ist eines der vorläufigen Ergebnisse einer Untersuchung, die die Universität Chemnitz am Donnerstag veröffentlicht hat. Deutsche Jugendliche verhalten sich laut der Studie anders als ihre Altersgenossen in Kanada und Israel. Dort erhöhten gute Noten die Anerkennung in der Klasse. Befragt werden für die Untersuchung mehr als 1500 Jugendliche in Deutschland, Kanada und Israel. Abschließende Ergebnisse werden im April erwartet. Nach Einschätzung von Klaus Boehnke, Professor für Sozialisationsforschung und Empirische Sozialforschung, führt die Angst vor dem Strebervorwurf dazu, daß manche Schüler auf Dauer leistungsschwächer werden. Damit ließe sich möglicherweise zum Teil erklären, warum Deutschland in der Pisa-Studie so schlecht abgeschnitten hat.

Vorweg: An Schulen arbeiten Menschen. Menschen machen Fehler und lernen daraus (oder auch nicht), sind unterschiedlich leistungsfähig und nicht immer in Top-Form, sind ehrgeizig und wollen beruflich vorankommen (oder auch nicht), empfinden sehr unterschiedliche Sympathien für ihre KollegInnen/KonkurrentInnen, sind manchmal "genervt" und manchmal guter Laune, sind sachorientiert und pädagogisch motiviert (oder auch nicht).
Bei all dieser Heterogenität und Individualität gelingt es doch den meisten Schulen, ihren Schülern Werte wie Toleranz, Fairness, Menschlichkeit, Zivilcourage und persönliche Bescheidenheit glaubhaft zu vermitteln und vorzuleben. Und - wohl deshalb - gelingt es auch, die Schüler zu sachorientierter Leistungsbereitschaft zu führen, ihnen Freude an der individuell erreichbaren Leistung zu vermitteln. Nicht immer werden diese Ziele zufriedenstellend erreicht - aber sie sind unbestritten. Das sind die wahrhaft "guten Schulen".
Aber an manchen - zu vielen! - Schulen gelingt es eben nicht. Hehre Ziele verkommen zu reinen Lippenbekenntnissen. In den Kollegien gewinnen Verhaltensweisen die Oberhand, die in diametralem Gegensatz zu den oben genannten Werten stehen. Die Schule wird zur Mobbing-Schule. Sie kann die Werte nicht mehr glaubhaft vermitteln.
Was läuft da schief? Monokausale Erklärungen greifen zwar in den meisten Fällen zu kurz. Untersuchungen von Hort Kasper, selbst ehemaliger Schulleiter, ergeben dennoch einen erschreckenden Hinweis auf die mutmaßliche Hauptursache (siehe unten).

Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, gib ihm Macht.
Abraham Lincoln

Um es klar zu sagen: die folgenden Ausführungen beschreiben häufige und typische Krankheitssymptome. Sie beschreiben keinen Einzelfall (also keinen "individuellen Krankheitsverlauf"; keine einzelne, identifizierbare Schule). Von der Krankheit betroffene Schulen werden sich in den beschriebenen Symptomen in sehr unterschiedlicher Ausprägung wiedererkennen (solange sie dazu noch fähig sind).
Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Österrreich und der Schweiz, die mir zu diesem Thema wertvolle (und zum Teil sehr bedrückende) Informationen zukommen ließen.


Erziehung ist zwecklos: die Kinder machen den Erwachsenen ohnehin alles nach.
Karl Valentin


Was erwartet man also anderes von unseren Schülerinnen und Schülern? Welches Beispiel geben wir ihnen, was leben wir ihnen vor? Sie wachsen in die deutsche Mobbingkultur hinein; insbesondere registrieren sie auch, wie in viel zu vielen Lehrerzimmern mit den Leistungsfähigen und Leistungswilligen umgegangen wird. Sie passen sich an und verhalten sich ganz instinktiv "richtig": Mobbing unter SchülerInnen ist die Folge von Mobbing in der (erwachsenen) Gesellschaft, nicht zuletzt die Folge von Mobbing im Lehrerzimmer.*)

Die Welt ist voll von entzückenden Kindern. Ich möchte wissen,
woher all die miesen Erwachsenen kommen.

Ben Akiba

Runter kriegt man jeden. Mobbing ist ja sehr oft nichts anderes als eine Intensivierung des immerwährenden Kampfes der Mittelmäßigkeit gegen das Talent.**) Denn durch dieses Talent wird die Mittelmäßigkeit als solche entlarvt. Also muss das Talent weg. Der Kampf der Mittelmäßigkeit gegen das Talent wird durch mehrere Faktoren begünstigt und ist deshalb fast immer erfolgreich. Zunächst einmal ist die Mittelmäßigkeit immer mächtiger, sind die Mittelmäßigen immer in der Überzahl ("Aus einer Reihe von Nullen macht man leicht eine Kette", Stanislaw Jerzy Lec). Weiterhin ist der Leistungswillige gerade wegen seiner Leistungsorientierung verwundbar: Angriffe auf seine Leistung treffen ihn im Kern und zerstören sein Selbstwertgefühl. Besonders leicht fallen diese Angriffe in sozialen und in hierarchisch gegliederten Bereichen. Hier sind objektive Leistungsmessungen ohnehin schwierig, aber (allerdings nur bei sachlich und menschlich qualifizierten Beurteilern!) nicht gänzlich unmöglich. Zu diesen Bereichen gehören auch die Schulen. Leistungsbewertungen sind deshalb bei Lehrerinnen und Lehrern in der Regel sehr stark subjektiv bestimmt. Man wählt also aus der Vielzahl der möglichen, zum Teil sogar in Widerspruch zueinander stehenden Kriterien die "geeigneten" aus (oder erfindet einfach "passgenau" neue), gewichtet sie "maßgeschneidert" für die Mobbing-Opfer - und schon ergeben sich Angriffspunkte ("Böser Wille vorausgesetzt, kann man jeden, aber auch wirklich jeden runterziehen", so ein in Mobbing-Prozessen erfahrener Gewerkschaftssekretär).

Ein einfaches, wenn auch eher harmloses Beispiel: Ist der Lehrer bei seinen Schülern beliebt, dann schmeichelt er sich ein und wird seinem pädagogischen Auftrag nicht gerecht. Ist er unbeliebt, dann kann er seine Schüler nicht motivieren und nicht mit Menschen umgehen. Lässt sich weder das eine noch das andere belegen, dann ist er keine Lehrerpersönlichkeit, hält einen indifferenten Unterricht und wird damit seinem pädagogischen Auftrag ebenfalls nicht gerecht (diese Sichtweisen gelten aber, selbstverständlich, nur gegenüber den Mobbingopfern!).

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Die Zerstörung. Und damit ist in aller Regel das Schicksal der Opfer besiegelt. Über sie wird nur noch Negatives geredet, ein Zerrbild ihrer Persönlichkeit gezeichnet. Der Leistungsorientierte, Leistungsfähige, Leistungswillige sieht sich als unfähiger Versager diffamiert. Er wird mit ständigen, oft geradezu unsäglichen, atemberaubenden und maßlosen Vorwürfen in der Defensive gehalten, damit er erst gar nicht auf die Idee kommt, seinerseits auf Unzulänglichkeiten und Fehlverhalten der Mobber hinzuweisen. Kompetenzen und Verantwortungsbereiche werden ihm entzogen und durch Pseudo-Aufgaben ersetzt. Gleichgültig, was er tut oder lässt, es wird ihm Kompetenzüber- bzw. -unterschreitung vorgeworfen - wie man es gerade braucht. Ganz bewußt unscharf und schwammig definierte [Pseudo-]Zuständigkeiten sind dabei natürlich sehr hilfreich. Er darf sich keinen auch noch so geringen, noch so entschuldbaren Fehler erlauben (was, wie jederman weiß, vollkommen unmöglich ist - und sollten dennoch wider Erwarten keine Fehler entdeckt werden, dann werden eben welche konstruiert). Er wird deshalb, je nach dem Grad seiner individuellen Sensibilität und Belastbarkeit, früher oder später tatsächlich versagen, ernsthaft erkranken und/oder in die "innere Kündigung" getrieben werden. So liefert er im Nachhinein seinen Mobbern auch noch die Rechtfertigung: Seht her, wir haben es immer gewusst!

Allzuoft führt dieser ungeheure Schlag zur persönlichen Katastrophe. Nach Schätzungen von Fachleuten werden mehrere hundert Selbstmorde pro Jahr durch Mobbing verursacht.

Die Würde des Menschen ist antastbar. Das Ergebnis aller Mobbingprozesse: Würdelosigkeit. Dem Mobbing-Opfer wird die personale Würde genommen; zumindest versucht man dies. Aber auch die Mobbing-Täter verlieren in zwingender Kausalität ihre eigene personale Würde und merken das in aller Regel selbst zu spät. Wer mit Dreck nach anderen wirft, wird eben auch selber schmutzig (übrigens - wenn manche Parteipolitiker ihr geringes Ansehen in der Öffentlichkeit beklagen, mögen sie hier eine Erklärung finden). Schließlich verliert auch der ganze komplizierte Organismus "Schule" an Würde, Ansehen und Leistungsfähigkeit: hat das Böse erst einmal Einzug gehalten, breitet es sich aus wie ein Virus, absorbiert Kraft und Energie. Es geht nicht mehr in erster Linie um die Sache - die Bildung und Erziehung unserer Schüler, wenn ich mich nicht irre -, sondern um Intrigen, Macht- und Mobbingspielchen. "Ein Verein von Dilettanten und Intriganten", wie der "Spiegel" so treffend formulierte (allerdings in Bezug auf eine bestimmte politische Partei - aber offenbar gibt es da Parallelen...). Die Schule verfault von innen.
Vor aller Augen vollzieht sich ein (in der Regel irreversibler) Verlust an Empathie, der Fähigkeit, die der Züricher Psychoanalytiker Arno Gruen den "Kern des Menschseins", die "Schranke zum Unmenschlichen" nannte. Unabwendbar hat das einen Verlust an Fairness, Offenheit, Vertrauen, Sicherheit, Ehrlichkeit, Mut, Solidarität zur Folge - einen Verlust essenzieller menschlicher Werte. An ihre Stelle treten Hass und Bosheit, Hinterhältigkeit, Verachtung, Misstrauen, Schadenfreude, Gleichgültigkeit, Feigheit, Egoismus. Letztlich ist das ein Verlust an Lebensqualität für alle am Schulleben Beteiligten. Auch für diejenigen, die diesen Verlust gar nicht bemerken. Auch und gerade für diejenigen, die oft und gern - allzu oft und allzu gern - versichern, wie "toll" diese Schule sei, wie "wohl" sie sich dort fühlten...

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Macht und UnterwerfungErhöhung durch Erniedrigung. Nach den Untersuchungen von Horst Kasper - siehe unten - geht auf diese Weise wohl so manche Schule an der Mittelmäßigkeit, Führungsunfähigkeit und Egozentrik ihrer Schulleitung innerlich zugrunde. Wer das Mittelmaß überragt und diesen Umstand nicht durch besonders geschickte "Anpassung" kompensiert/kaschiert, wird von solchen Schulleitungen aus genannten Gründen geradezu als persönliche Bedrohung, mindestens aber als potentielle Bedrohung der eigenen Machtfülle wahrgenommen. In manchen Fällen entwickelt sich diese Befindlichkeit bis zur "Bunkermentalität": das Führungspersonal schließt seine Bürotüren von innen ab, eingelassen werden - nach abwehrbereiter Gesichtskontrolle - nur "genehme" KollegInnen. Im Kollegenspott mutiert der Leitungstrakt daraufhin, natürlich nur hinter vorgehaltener Hand, zur "geschlossenen Abteilung". ("Der Chef zieht sich mit einer kleinen Zahl Vertrauter in den fensterlosen Teil der Machtzentrale zurück. Kritik wird als Majestätsbeleidigung aufgefasst." Welt am Sonntag vom 10. Mai 2009, S. 5). Aus Angst vor Gesichts- und Kontrollverlust werden die Talente auf Normalmaß zurechtgestutzt. Kritik von dieser Seite wird in hasserfüllter, manchmal geradezu grotesk und unkontrolliert erscheinender Aggressivität mit einem Vernichtungsfeldzug gegen die Kritiker beantwortet. Das gesamte Verhalten solcher Schulleiter(innen) wirkt in der Tat auf merkwürdige Weise infantil. So wie kleine Kinder zornig auf den Boden stampfen und um sich schlagen können, wenn sie sich nicht genügend gelobt, anderen Kids unterlegen fühlen, so toben diese Vorgesetzten ihre Machtfülle an entsprechenden Untergebenen aus. Jetzt können sie es denen endlich zeigen! In den Worten von Dr. Jürgen Fuchs, Wirtschaftspsychologe und Fachbuchautor, lt. FAZ vom 8.5.2010: "Bossing stellt eine Form von Unreife dar".

Soziopathie+Macht=Bossing

"Wie die Deppen"? Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung", Ausgabe vom 29. Mai 2011, geht in ihrem Urteil noch viel weiter: "Das Gefühl, einsam aus der Masse heraus zu ragen, kann schlimmstenfalls zum totalen Kontrollverlust führen. 'Es ist immer dasselbe', berichtet Dacher Keltner [Sozialpsychologe, University of California, Berkeley], 'kaum sind solche Leute an die Macht gekommen, benehmen sie sich wie die Deppen. Sie fangen an, in unangemessener Weise zu flirten, machen sich über andere lustig, werden total impulsiv.' Sie legen ein enthemmtes Verhalten an den Tag, das in der Fachliteratur ansonsten typischerweise bei Patienten beschrieben wird, die Läsionen im präfrontalen Bereich der Großhirnrinde erlitten haben."

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Kritiker werden als Pädagoge und als Person - als Mensch - in den Dreck gezogen, um die Kritik zum Schweigen zu bringen. "Unangepassten" (Unterwerfungsrituale verweigernden) Talenten geschieht diese Erniedrigung, um die Selbstgewissheit der Mediokren zu schützen.
Es
gibt allerdings auch (seltener) eine etwas "robustere" Spielart dieses Mobbings durch die Schulleitung. Hier spielen Talent und Leistung nur noch dann eine Rolle, wenn sie das "Außenverhältnis" der Schule berühren. Im "Innenverhältnis" dagegen geht es ausschließlich um Macht und Unterwerfung. Ein betroffener Kollege brachte diese Mobbing-Variante einmal in deftiger Weise auf den Punkt: "Solange sich keine einflußreichen Eltern über dich beschweren, ist es völlig egal, ob du ein guter oder ein schlechter Lehrer bist. Entscheidend ist einzig und allein, ob du dem Schulleiter einmal täglich in den A.... kriechst." Weil sich jedoch gerade die besonders fähigen KollegInnen solchen Unterwerfungsritualen häufiger als andere verweigern, sind sie auch von dieser Mobbing-Variante überdurchschnittlich betroffen.
Wie auch immer: Repressalien gegen fähige LehrerInnen mögen im Kollegium sogar Zustimmung finden, stärken sie doch das Selbstwertgefühl der Mittelmäßigen; siehe oben. Die letztlich verheerende Wirkung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen. Nach einer aktuellen Gallup-Studie empfinden zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland nur geringe emotionale Bindungen an ihre beruflichen Aufgaben und arbeiten "nach Vorschrift"; jeder fünfte hat bereits "innerlich gekündigt". Dabei sei das Verhalten von Führungskräften ein wichtiger Faktor, so die Gallup-Studie.

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Und willst du nicht mein Bruder sein ... Denn die Aggressivität, mit der die Schulleitung ihre sogenannten "Gegner" verfolgt, wird im Kollegium ganz richtig auch als Warnung verstanden: wollt ihr, dass es euch genauso ergeht? Dieser Warn-Hinweis wird natürlich niemals offiziell bestätigt, die Warnung niemals offen ausgesprochen. Schließlich möchte die Schulleiterin/der Schulleiter ja nicht etwa die "Mehrheit der Mittelmäßigen" durch offene Drohgebärden gegen sich aufbringen, sondern sie, ganz im Gegenteil, durch "Zuckerbrot" aller Art ruhig stellen oder für sich gewinnen (als Machtbasis). Allen Beteiligten ist ohnehin klar, für wen die "Peitsche" bestimmt ist...

Ibi fas ubi proxima merces.Wo der Gewinn am höchsten, da ist das Recht (Lucanus) Im Kollegium wächst daraus die Erkenntnis, dass Ansehen, Karrierechancen und sonstiges Wohlergehen in der Schule ganz unmittelbar vom Grad der aktiven, vorbehaltlosen Zustimmung zu allen dienstlichen, personalpolitischen und privaten Ansichten der Schulleiterin/des Schulleiters abhängig sind - und seien sie noch so dubios. Im entstehenden Schulklima verengt sich damit für immer mehr KollegInnen das Spektrum möglicher Verhaltensweisen auf nur noch zwei Alternativen: Rückzug oder Opportunismus - vulgo "Schweigen oder Schleimen". Nun ist dieses "Schleimen" bekanntlich (allzu-)menschlich und findet sich überall, wo Abhängigkeitsverhältnisse bestehen. An Mobbing-Schulen jedoch wird es weitaus dankbarer als anderswo akzeptiert und belohnt (als sogenannte "Loyalität"), wird es durch das "Schweigen der Anderen" immer stärker wahrnehmbar, immer prägender - und immer peinlicher. Gilt Opportunismus an guten Schulen als Unkraut, so erhält er an Mobbing-Schulen geradezu den Status einer Nutzpflanze: liebevoll gehegt und gepflegt, in bizarren Formen prächtig wachsend und gedeihend...
Unvermeidlich entwickelt oder verstärkt sich parallel dazu auf Seiten der Schulleitungen und ihrer Entourage (fortschreitend bis schließlich weit in das Kollegium hinein) ein gewisser, manchmal geradezu atemberaubender Größenwahn. Man beginnt, sich für allwissend und unfehlbar zu halten - und das findet, sehr vorsichtig formuliert, auch seinen rhetorischen Ausdruck. Frappierend beispielsweise die satte Selbstgefälligkeit, mit der man im "inner circle" sich selbst und gegenseitig "Führungsfähigkeit" attestiert (man beachte dabei das eherne Gesetz: Kritik am Schulleiter gilt als sofort wirksamer Nachweis von Führungsunfähigkeit).
Dieser Größenwahn und die daraus gespeiste ungeheure Arroganz sind die charakteristischen (auch von aussen am besten erkennbaren) Merkmale von Mobbingschulen, sind Ursache und Wirkung zugleich, verstärken und beschleunigen autokatalytisch den inneren Niedergang der Schule.
Die auffällige Diskrepanz zwischen der Selbstdarstellung und den tatsächlichen Potentialen der schulischen Führungskaste hat für aussenstehende(!) Beobachter durchaus auch den erheiternden Reiz einer Realsatire. Wer die Auswirkungen dieser Diskrepanz Tag für Tag erdulden muss kann das leider nicht so locker sehen.

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Divide et impera
(vermutlich auf den französischen König Ludwig XI. zurückgehende Charakterisierung einer uralten Herrschaftsstrategie)

Auf der Roten Liste - oder "Alle, ausser ...". Die Teilung des Kollegiums wird immer deutlicher sichtbar. Die kleinste - und immer kleiner werdende - Gruppe ist die der fähigen und mutigen KollegInnen. Ihnen wird immer stärker der Eindruck vermittelt, bei ihrer Kritik an der Schulleitung nicht nur Majestätsbeleidigung, sondern geradezu Gotteslästerung zu begehen. Und darauf steht bekanntlich Exorzismus; mindestens. Zunächst aber - als Voraussetzung für alles Üble, das noch kommt - muss natürlich die fachliche und pädagogische Reputation dieser KollegInnen zerstört werden. Also treten sowohl in den rein fachbezogenen als auch in fachübergreifenden Abteilungen und Verantwortungsbereichen von der Schulleitung ernannte, vor allem durch Wohlverhalten und Manipulierbarkeit ausgewiesene angebliche "Profis" an die Stelle von fachlich über die Schule hinaus anerkannten Experten. Das führt gelegentlich zu grotesken Begleiterscheinungen; siehe dazu unten.
Ohnehin spielen an diesen Schulen der besonderen Art formale Regelungen wie z. B. schriftlich fixierte Organisations- und Aufgabenverteilungspläne, Organigramme, Konzepte aller Art und dienstlicher Status nur eine untergeordnete Rolle. Die tatsächlichen Kompetenzen hängen ausschließlich von der "Nähe" zum Schulleiter/zur Schulleiterin ab, werden in undurchschaubaren Zirkeln ausgekungelt und bleiben ganz bewusst unscharf und jederzeit veränderlich. Karl Valentin, aber auch Franz Kafka und Edgar Allan Poe hätten ihre helle Freude an solchen Schulen. Parallelen zu gewissen Staaten, Parteien, Sekten und anderen Organisationen sind unübersehbar.

Schweigen ist Silber... Eine weitere "gefährdete" Gruppe besteht aus fähigen KollegInnen, die zwar vor offener Kritik an der Schulleitung zurückschrecken, sich aber aus Selbstachtung gängigen Unterwerfungs- und Anbiederungsritualen verweigern. Sie werden unvermeidlich als reale Bedrohung mediokrer Selbstgewissheit sowie als potentielle Gefahr für das Machtgefüge wahrgenommen und entsprechend behandelt. Nur bei sehr geschickter, mühsamer Tarnung - im notwendigen Mindestmaß "schleimen", ansonsten aber den Mund halten, nicht zu positiv durch Leistung auffallen, vor allem öffentliches Lob von Schülerseite unterbinden (sehr gefährlich!), niemals(!) dem Schulleiter widersprechen - ist dieser Sonderbehandlung zu entgehen. Die Grenzen zur unten genannten Gruppe der "Mitläufer" sind somit fließend. In der Regel verzichtet der "inner circle" aber ohnehin auf die vollständige Zerstörung und Vertreibung dieser KollegInnen. So ganz ohne tatsächliche ("nicht-ernannte") Träger fachlicher und pädagogischer Leistung kommt eben auf Dauer nicht einmal eine Mobbing-Schule aus. Und vielleicht kann man diese KollegInnen ja zum Ruhm der Schulleitung instrumentalisieren, z. B. zu Zwecken der "Fassadenverschönerung", d. h. bei Wettbewerben, in der Aussendarstellung der Schule...

... Lobpreisen ist Gold. Die beiden größten Gruppen bestimmen das Schulklima - wie sollte es anders sein? Selbstverständlich geben sie auch im Personalrat den Ton an ("Jedes Kollegium hat den Personalrat, den es verdient." Aus dem GEW-Aufruf zur Personalratswahl 2010). Gemeinsam ist den Mitgliedern dieser Gruppen sowohl ihre Mittelmäßigkeit (fast immer jedenfalls; nur wenige talentierte KollegInnen verirren sich selbstverleugnend in dieses Verhalten und diese Umgebung - siehe oben) als auch ihr Opportunismus, ihre Teilnahme an den üblichen Unterwerfungsritualen. Sie unterscheiden sich jedoch im Grad der Anbiederung an die Mächtigen, in der Hingabe der Unterwerfung, in der Peinlichkeit des "Schleimens".

Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem Schaf sein.
Albert Einstein

Nennen wir diese Gruppen die "Mitläufer" und den "Fanclub", mit fließenden Übergängen. Die "Mitläufer" können sich immerhin eines erträglichen bis angenehmen Arbeitsklimas erfreuen, auch wenn ihnen (über eventuell vorgezogene Regelbeförderungen und gelegentliche "Leistungs"[?]-prämien hinausgehende) Karrieresprünge und besonders exzellente Arbeitsbedingungen in der Regel versagt bleiben. Die sind dem "Fanclub" vorbehalten - in Schulleitungssprache: der Gruppe der "besonders loyalen Mitarbeiter". Als "inner-circle"-Mitglieder besitzen sie - wir erinnern uns - selbstverständlich die notwendige "Führungsfähigkeit".

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Die neue Elite. Aus dieser Gruppe ("die Tempelritter des Mittelmaßes" - eine phantastisch treffende Formulierung des Schauspielers Christoph Waltz; WamS 9.8.2009) stammen auch die oben erwähnten "ernannten Experten", die in den Schulbereichen die (tatsächlichen) Experten aus der Gruppe der "Dissidenten" ersetzen. Mit, wie erwähnt, gelegentlich grotesken Begleiterscheinungen. So kann es etwa geschehen, dass ein "ernannter EDV-Experte" unfreiwillig - bei versehentlich eingeschaltetem Beamer - einem größeren Zuschauerkreis einen geradezu erbarmungswürdigen Mangel an elementarsten Betriebssystem- und gängigsten Textverarbeitungskenntnissen offenbart, während die "tatsächlichen EDV-Experten" der Schule möglichst computerfern und fachfremd eingesetzt werden (sofern sie nicht gleich ganz von der Schule vertrieben wurden). In den naturwissenschaftlichen Abteilungen geschieht ähnliches. Die mir vorliegenden, glaubhaften Berichte vor allem aus den Bereichen Physik und Chemie sind jedenfalls niederschmetternd. Da wird etwa einem Chemielehrer mit großem Trara, quasi öffentlich, von Pseudo-Experten-Seite eine "fachlich falsche Aufgabenstellung" vorgeworfen, obwohl bereits mithilfe beliebiger Mittelstufen(!)-Chemielehrbücher die Korrektheit der Aufgabenstellung (und damit die Unfähigkeit der Pseudo-Experten) zu belegen war. Aber den Pseudo-Experten werden eben, von der Schulleitung geschützt, auch die abgrundtiefsten fachlichen Peinlichkeiten nachgesehen, während an den "abgesägten" (tatsächlichen) Experten absichtsgemäß selbst bei den lächerlichsten Attacken etwas hängen bleibt. Das kann dann im zeitlichen Abstand (wenn nur noch der Schmutz zu erkennen ist - und nicht mehr, wer ihn geworfen hat) zur scheinheiligen Frage führen, ob Kollege X, Kollegin Y denn überhaupt dem Unterricht in der Oberstufe fachlich gewachsen seien - gab es da nicht mal eine "fachliche Unklarheit" bezüglich einer Aufgabenstellung??

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Safety first. Ein untrügliches Kennzeichen von Mobbing-Schulen ist auch die viel stärker als anderswo spürbare "Absicherungsmentalität". Ständig ist die Rede von notwendiger "Absicherung", ständig werden (oft unausgesprochen, aber immer leicht erkennbar) zur "Absicherung" irgendwelche Beschlüsse gefasst, dazu abstrus komplizierte "Protokolle", "Konzept-", "Evaluations-", "Schulentwicklungs-" oder "Strategiepapiere" entwickelt, Aussagen schriftlich niedergelegt, "Beweise" gesichert. Sach- und personenabhängig wird aber auch gelegentlich, ganz im Gegenteil, ausdrücklich die Schriftform abgelehnt - natürlich ebenfalls wieder aus "Absicherungsgründen".
Das alles gilt auffälligerweise eben nicht nur im Umgang mit übergeordneten Behörden (da mag es gelegentlich notwendig sein - leider!). Es gilt ganz besonders auch im Umgang innerhalb des Kollegiums, im Umgang zwischen KollegInnen und schulinternen Vorgesetzten (in beiden Richtungen!).

Hier treibt diese Absicherungsmentalität gelegentlich Blüten, die manche KollegInnen - natürlich nur hinter vorgehaltener Hand! - von einem "Tollhaus" sprechen lässt. Tragen die "falschen Leute" ihre Anliegen mündlich vor, werden sie entweder ignoriert, arrogant abgefertigt oder aggressiv niedergemacht. Zudem müssen sie in aller Regel erleben, dass ihnen "das Wort im Munde herumgedreht" wird - dass Gesprächsergebnisse verfälscht wiedergegeben, anstelle tatsächlicher Äusserungen bösartige Interpretationen derselben verbreitet werden. Wählen sie aufgrund derartiger Erfahrungen aber schließlich entnervt den Schriftweg, werden sie im Kollegium (z. T. sogar - begleitet mit "einschlägigen" Kommentaren - durch öffentlichen Aushang der Schreiben!) als "formalistische Korrinthenkacker" oder Schlimmeres diffamiert. Zitat: "Wer bei derartigen Anliegen einen Brief schreibt, hat sie wohl nicht mehr alle oder will mich hereinlegen". "Aus Absicherungsgründen" werden diese schriftlichen Anträge und Eingaben dann auch manchmal über Monate nicht beantwortet (oder überhaupt nicht).

"Der typische Täter ist nur vordergründig selbstbewusst, hat kein Schuldgefühl,
und es mangelt ihm an Empathie.
In Wahrheit ist der typische Täter eine ziemlich arme Wurst."

Wolfgang Kindler, Lehrer und Mobbingforscher, lt. "Stern" 38/2009

Die Absicherungsmentalität ist aber auch im Umgang mit SchülerInnen und Eltern spürbar. So werden z. B. bei allfälligen Problemen mit Klassen zusätzliche Elternabende einberufen, allerdings ohne überzeugendes [die Eltern einbeziehendes] pädagogisches Konzept und deshalb ohne greifbares Ergebnis - ausser, natürlich, der "Absicherung" der beteiligten LehrerInnen. Pädagogische Zuwendung zu "schwierigen" SchülerInnen wird zunehmend durch grotesk übertriebene, buchhalterische Handhabung des Instruments der Klassenbucheinträge bzw. durch das Ausfüllen von vielerlei "Schülerberichtsformularen", "Diagnoseblättern" etc. ersetzt. Dieser sachfremd motivierte Dokumentationsaufwand geht dabei natürlich auf Kosten des pädagogischen Aufwands und übersteigt diesen über kurz oder lang beträchtlich - aber was soll's: man muss sich ja schließlich absichern!!
Im pädagogischen Handeln, im didaktischen Herangehen an den Unterrichtsstoff, in der Unterrichtsgestaltung etc. werden neue Wege (die stets die Gefahr des Scheiterns in sich tragen, aber eben auch die viel größere Chance des Gewinns) nur noch dann beschritten, wenn zuvor die Möglichkeit der ausreichenden "Absicherung" besteht - im Zweifel also gar nicht. Auch und gerade befähigte KollegInnen verhalten sich leider oft so - "Absicherung" ist für sie offenbar aus Gründen der Fehlervermeidung (siehe oben) zur Überlebensfrage geworden. Dem sachkundigen Beobachter erschließt sich aus diesen Verhaltensweisen bereits das ganze Elend der Schule: wo so viel Absicherungsbedarf besteht, muss es sehr viel verborgene Angst, verlorengegangenen Mut, verlorengegangenes Rückgrat, verlorengegangenes pädagogisches Ethos geben. Die Absicherungsmentalität ist das Ende jeder "Fehlerkultur", die diesen Namen verdient. Sie ist auch das Ende einer humanistischen Pädagogik.

Fisch - nicht mehr ganz frisch

We are the champions (oder: des Kaisers neue Kleider). So entsteht schließlich eine Art "virtuelle Binnenrealität" der Schule. In manchen Aspekten ist sie vergleichbar der Situation in Diktaturen oder extremen Sekten ("Wer dem Regime gehorchte, hatte nichts zu befürchten", so ein rumänischer Rentner über die Ceausescu-Zeit). Permanentes Selbstlob ist ein auffälliges Kennzeichen dieser virtuellen Realität, mithin ein weiteres auffälliges Kennzeichen von Mobbing-Schulen ("wir sind die beste Schule (die beste Schulleitung, das beste Team, das beste Kollegium ...)/ der gerechteste Staat/ vertreten den einzig wahren Glauben").
Häufig kommt dieses Selbstlob auch - in etwas eleganterer Form - als angebliches Zitat daher, etwa nach dem Muster: "Wie mir der anerkannte und respektierte Fachmann XY, Vertreter/Leiter der renommierten Institution YZ, neulich wieder in einem persönlichen Gespräch mitteilte, genießt unsere Schule aufgrund ihrer herausragenden Leistungen und ihres vorbildlichen Schulklimas einen ausgezeichneten Ruf/gilt unsere Schule als die beste in der Region" etc.pp.

Natürlich ist dieses permanent artikulierte Selbstlob zum einen zwangsläufige Folge des wachsenden Größenwahns, der sich ausbreitenden realitätsnegierenden Arroganz - und damit (allerdings in Mitleid erregender Weise) durchaus "ernst gemeint" bzw. Autosuggestion zur Bekämpfung etwaiger Restzweifel. Grußwort-Rhetorik, höfliche oder auch berechnende Schmeicheleien, Small-Talk-Komplimente etc. werden so für bare Münze genommen oder entsprechend interpretiert. Man hört eben das, was man sehnlichst zu hören wünscht...
Zum anderen - entscheidenden - Teil jedoch ist es Berechnung, tragende Säule der "divide-et-impera"-Strategie, des Ausspielens der Mittelmäßigkeit gegen das (kaltgestellte und ausgeschlossene) Talent: seht her, wir brauchen die gar nicht!! Wir sind selber Spitze!!

L'Ecole c'est moi. Kaum noch verwunderlich, dass sich in derartigen Schulen ein regelrechter Personenkult entwickelt: dass im Kollegium (im wörtlichen Sinne!) kollektive Loblieder auf die unfehlbare Schulleitung gesungen, der unvergleichlichen Schulleiterin rote(!) Rosen gereicht, für den einzigartigen Schulleiter (Staatschef/Hohepriester) kollektive Jubelfeiern zelebriert werden...

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Von den Selbstlob-Varianten "Wir sind das beste Kollegium/das beste Team/die besten Lehrer" etc. werden die Mobbing-Opfer natürlich ausgenommen (die Floskel "alle ausser ..." wird an Mobbing-Schulen ohnehin auffällig häufig benutzt. Beispiele: "Alle" finden, die Schule habe das beste Schulklima/die beste Schulleitung etc. - "alle ausser ...". Oder: "Alle" finden das neue [von der Schulleitung diktierte und vom Kollegium abgenickte] Schulleitbild ganz toll - "alle ausser ..." - usw. usf.).
Wie man ja von der Schulleitung oder ihr nahe stehenden Personen ständig hört und bereitwillig übernimmt, sind die "Aussenseiter" unkollegial und dazu auch noch - ganz klar! -
fachlich/pädagogisch völlig unfähig. Sollten die Schüler da mehrheitlich anderer Meinung sein und die Betreffenden für "gute" oder gar für "die besten" Lehrer halten, läge das ausschließlich an einer besonders verwerflichen, manipulierenden Unterrichtsweise dieser Individuen bzw. am beschränkten Horizont der Schüler. Aber in diesen Fällen kann man ja auch "mit den Schülern reden" und so vielleicht eine Meinungsänderung bewirken...

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Oder man teilt den "Dissidenten" eben künftig etwas schwierigere, leistungsschwächere und -unwilligere Klassen zu. Eher "lehrerfreundliche", pflegeleichte Klassen bleiben den "Loyalen" vorbehalten (insbesondere Oberstufenklassen und -kurse mit fachlich reizvollen Lehrplaninhalten - damit kann ganz nebenbei nochmals die Fachkompetenz der "Dissidenten" für alle sichtbar in Frage gestellt werden). Auch die Deputatszuweisung erfolgt an derartigen Schulen in aller Regel völlig losgelöst von fachlich-pädagogischen Erwägungen; auch hier geht es nur noch um Taktik, Intrigen, Macht- und Mobbingspielchen.

Und wenn das alles nichts nützt, werden einfach immer stärkere Geschütze aufgefahren. Vorwürfe jeglicher Art werden nicht etwa zeitnah besprochen und in sauberer Weise sachlich geklärt, wie das in guten Schulen üblich wäre. Sie werden vielmehr fleißig gesammelt und dann in so großem zeitlichen Abstand, dass eine zweifelsfreie Widerlegung kaum noch möglich ist, als "geballte Ladung" auf die Opfer abgeschossen. Oder gleich - ohne vorherige Information und ohne Anhörung der Betroffenen! - als Tatsachen deklariert an vorgesetzte Behörden übermittelt... Die systematischen Schikanen am Arbeitsplatz, insbesondere aber die üblen Nachreden, Gerüchte und Verleumdungen werden (auch gegenüber SchülerInnen!) auf ein unerträgliches Maß gesteigert. "Seit November vergangenen Jahres bekommt sie - mitunter täglich - schriftliche Klagen des Direktors. Das Klima ist eisig. Mal, so heißt es, werde sie ermahnt, häufiger in ihr Postfach zu schauen, mal kritisiert, weil sie sechs Minuten verspätet zum Unterricht erschienen sei. Der Direktor überprüfe heimlich ihr Klassenbuch und moniere, dass sie zwei Stunden für ein Übungsdiktat benötige" ("Der Spiegel" 3/2011 über den Mobbingfall einer Berliner Lehrerin). Die "Dissidenten" werden unter Einsatz von Schulleitungsmacht und mit Hilfe willfähriger "Büchsenspanner" in Konferenzen bloßgestellt und der Lächerlichkeit preisgegeben, "Kommunikationsempfehlungen" werden ausgesprochen ("Willst du mit denen reden, oder willst du beruflich vorankommen?"), ihr Arbeitsplatz wird in Abstellkammern verlegt, sie werden von Besprechungen ausgeschlossen usw. usf., so dass sie schließlich die Schule verlassen müssen, wenn sie nicht vor die Hunde gehen wollen. Der Möglichkeiten sind so viele...

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Feedback nach Art des Hauses. Das vielgenannte, vielgerühmte Thema "Feed-back-Kultur" lässt sich somit an dem hier beschriebenen (häufigsten) Typ von Mobbing-Schulen in aller Kürze abhandeln: im Führungsklima dieser Schulen sind die Grundpfeiler jeder Feedback- und Fehlerkultur - Vertrauen, Sachbezogenheit, Empathie, Akzeptanz der Person - bis weit in das Kollegium hinein zusammengebrochen. Kollegiales Feedback wird sinnlos (oder gar zum Repressionsinstrument), Schüler-Feedback wird - wenn nötig - ignoriert oder manipuliert. Entscheidend für Ansehen, Arbeitsbedingungen und Karriereaussichten der Lehrer ist einzig und allein das Feed-back der Schulleitung. Dieses Feed-back wird ausschließlich von egozentrischen und machtpolitischen Faktoren bestimmt. Tatsächliche Leistungen spielen nur dann eine Rolle, wenn sie - so oder so - "passen".

Der Radfahrer - nach unten treten, nach oben buckelnDie Anstalt (oder: Lernen fürs Leben?) Macht- und Unterwerfungsrituale treten an die Stelle eines sachbezogenen, unverkrampften und - beiderseits! - in natürlicher Weise selbstbewussten Umgangs zwischen Schulleitung und Kollegium, wie er in guten Schulen üblich ist. Begriffe wie Feed-back- und Fehlerkultur werden in geradezu Orwell'scher Weise ihrer eigentlichen, positiven Bedeutung entfremdet. Phrasendrescherei, Wortklauberei und Führungsrhetorik treten an die Stelle inhaltlicher Diskussionen, Aufgeblasenheit und Arroganz an die Stelle von Autorität, Hinterhältigkeit und Bösartigkeit an die Stelle von Fairness. Schaumschlägerei tritt an die Stelle von Leistung, Einschüchterung an die Stelle von Motivierung (folglich Angst an die Stelle von Motivation), Aggressivität an die Stelle von Souveränität, Gängelung an die Stelle von Führung, Stammtischniveau an die Stelle von Professionalität. "Aufrechter Gang" (Dissidenten/ Abweichler/ Nestbeschmutzer) hat in dieser Traumwelt keine Chance. Man empfiehlt den Betreffenden eine psychiatrische Behandlung - Psychiatrisierung ist ein gängiges Mobbing-Merkmal. Eine weitere, besonders beängstigende Parallele zu Diktaturen und Sekten. (Aktuelle Ergänzung 2013: siehe dazu auch den - tatsächlich kafkaesken - Fall Mollath). Diese Ur-Angst, zu Unrecht als "paranoid" abgestempelt zu werden (wie dies z. B. Gustl Mollath und einigen hessischen Finanzbeamten geschehen ist), hat in der Regel die gewünschte Wirkung: Eigenständiges Denken unterbleibt oder wird nicht mehr artikuliert.

"Wie d'Herr, so's Gscherr" (süddeutsch-alemannisches Sprichwort; norddeutsche Übersetzung: Wie der Gutsherr, so das Gesinde)
Dem aufmerksamen, unvoreingenommenen Beobachter offenbart sich schließlich - hinter einer glitzernden Fassade - ein Bild erhabener Lächerlichkeit. Am humanistischen Gymnasium könnte geradezu "Difficile est saturam non scribere"Es ist schwierig, darüber keine Satire zu schreiben (Juvenal) über der Tür stehen (oder, zum Trost: "Iniqua numquam regna perpetuo manent"Ungerechte Reiche währen niemals ewig (Seneca)). Aber auch ein Bild, das traurig (und wütend) macht ob all der vertanen Möglichkeiten, der verschleuderten Talente. Unter der schützenden Hand einer mediokren, machtpolitisch skrupellosen Schulleitung und angereichert mit euphorisierender Schulentwicklungsrhetorik ("wir sind auf dem richtigen Weg und kommen gut voran, aber leider ziehen ein paar wenige da nicht mit") legt sich - wie ein süßes Narkotikum - ein schwüler Dunst selbstzufriedener, opportunistisch unterwürfiger Mediokrität über die Schule. Manche empfinden ihn als Leichentuch.

"Wie die Alten sungen..." Selbstverständlich bekommen die Schüler in vielerlei Hinsicht zu spüren, was an ihrer Schule geschieht. Erziehung zur Demokratie ist in diesem Klima nicht möglich; de facto erfolgt eine Erziehung zur Duckmäuserei. Und eben - durch das vorgelebte "beispielhafte" Verhalten von Kollegium und Schulleitung - zum ständigen Begleiter der Duckmäuserei: eine Erziehung zum Mobbing*).
Hat diese Erziehung "Erfolg", dann schließt sich hier der Kreis. Im Lehrer- und im Klassenzimmer tobt im Grunde derselbe ungleiche Kampf Mittelmaß gegen Talent ("Streber"), Opportunismus gegen aufrechter Gang, "Mainstream" gegen "Aussenseiter".

"Wer mobbt, braucht Gewalt"
(Horst Kasper)

Das Folgeproblem - im Klassenzimmer - hat man inzwischen allgemein erkannt (z. T. allerdings erst unter dem Eindruck schrecklicher Ereignisse an Schulen, bei denen möglicherweise auch vorangegangenes Mobbing gegen die Schüler, die zu Tätern wurden, eine Rolle spielte). Dem auslösenden Problem - im Lehrerzimmer - jedoch wird immer noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt. Vielfach hat man sogar den Eindruck, dass es totgeschwiegen werden soll. Betroffene werden übrigens vom Dienstrecht daran gehindert, an die Öffentlichkeit zu gehen ("Flucht" nennt man das - und bedroht es mit Strafe). Aussenstehenden bleibt somit vieles verborgen.

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Fazit (wie bereits erwähnt): beim Mobbing im Lehrerzimmer verfault die Schule von innen. Das alles vollzieht sich hinter einer glitzernden Fassade. Für Aussenstehende ist es nicht einfach, hinter diese Fassade zu blicken. Viele - auch vorgesetzte Behörden - lassen sich (nur zu gern?) davon täuschen. Wie sich viele einst auch von den Goldmedaillen der DDR über die Realität dieses Staates täuschen ließen...

In einer Welt der Täuschung ist das Aussprechen der Wahrheit ein revolutionärer Akt.
George Orwell

Sie denken, ich übertreibe? Dann empfehle ich Ihnen die Lektüre des Buches "Mobbing in der Schule" von Horst Kasper (1998, AOL, Lichtenau - Beltz Verlag, Weinheim und Basel, ISBN 3-407-25204-8 (Beltz)). Ein besonders bedrückendes Zitat aus diesem Buch:

"Das vorliegende Material ergibt ein sehr klares Bild hinsichtlich des Anteils von Schulleitern an den Mobbern. Leymann fand in der schon erwähnten repräsentativen Untersuchung in Schweden heraus, dass die Zahl der Fälle in der Wirtschaft, in denen Chefs beteiligt sind oder die von diesen ausgehen, 37 Prozent beträgt. (LEYMANN 1993 S. 47). Mit dieser weltweit bisher einzigartigen Untersuchung ist das vorliegende Material nicht vergleichbar. Es könnte sich hier aber doch um eine strukturelle Besonderheit in der Schule handeln: In den hier ausgewerteten Fällen von Mobbing in der Schule sind 72 von 75 Schulleitern oder 96 Prozent selbst die Mobber. (...) Mobbing in der Schule ist überwiegend, selbst wenn eine genaue Untersuchung etwas geringere Werte erbringen sollte, Schikane der Chefs gegen die Beschäftigten, denen gegenüber sie zur Fürsorge verpflichtet wären. Das ist eine alarmierende Tatsache, die auch durch Beobachtungen der "Bundesarbeitsgemeinschaft Lehrer gegen Mobbing" gestützt wird. Diese Feststellung muss zu Überlegungen bei der Schulaufsicht und zur Planung von Gegenstrategien auch auf der Ebene des Personalmanagements in den Ministerien führen, wo man dies bisher eher als die Aufgabe eines Krisenmanagements in Einzelfällen vor Ort gesehen hat."

Fisch - nicht mehr ganz frisch

"Der Fisch stinkt vom Kopf" (norddt. Sprichwort). Sechs Jahre später formuliert Horst Kasper in seinem neuen Buch "Wer mobbt, braucht Gewalt - das Handbuch für die mobbingfreie Schule" (Süddeutscher Pädagogischer Verlag, 2004, ISBN 3-922366-53-8) wesentlich schärfer: "Wir müssen uns klarmachen, wohin es führt, wenn an einer Schule Willkür und Machtmissbrauch, also Nichtachtung von klaren Rechtsvorgaben möglich sind. Hier wird das Vertrauen der jungen Generation in den Rechtsstaat zerstört. (...) In der Schulaufsicht ist das Wissen über Mobbing in den Schulen noch immer nicht ausreichend verbreitet. Daher ist der Umgang mit diesem Phänomen oft nicht angemessen. Das Hauptproblem besteht, dieses Urteil ist in Kenntnis so vieler Fälle von gesundheitsgefährdender Führerschaft durch Schulleiterinnen und Schulleiter nicht übertrieben, in einer zu unkritischen Haltung gegenüber dem dienstlichen Handeln der Schulleiter. Diese Unterführerfunktion im System der staatlichen Hierarchie wird getreu dem Motto gestützt: Wir lassen unsere Leute vor Ort nicht hängen. Seit den beiden Urteilen des LAG Thüringen***) dürfte eine solche Haltung der Vergangenheit angehören, sobald sich die Lehrerschaft mit dem gebührenden Nachdruck dagegen wehrt, dass hier weiterhin Machtmissbrauch geduldet, ja gedeckt wird."

Werden Radfahrer an der Schule seltener durchschaut?Die Schulen - eine Oase für Mobber? Ein Satz, über den man stolpert: "Mobbing in der Schule ist überwiegend ... Schikane der Chefs gegen die Beschäftigten". Horst Kasper spricht gar von einer "strukturellen Besonderheit" der Schule. Haben es Mobber in den Schulen leichter als anderswo, Chefpositionen zu erreichen? Werden in der Schule "Radfahrer-Methoden" seltener durchschaut als in Betrieben und Verwaltungen? Führt die Methode "Andere erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen" öfter zum Erfolg? Werden größenwahnsinnige Psychopathen später als anderswo - zu spät jedenfalls - enttarnt? Wie kommt es also, dass bei der Besetzung von Schulleiterstellen zu oft die "Falschen" zum Zuge kommen? In der Theorie soll ja "Eignung und Leistung" den Ausschlag geben. Verlässliche Leistungsbeurteilungen im Lehrerberuf sind aber schwierig und aufwändig. Sie sind vom persönlichen Format und vom guten Willen der Beurteiler abhängig, einer Person und ihrer Leistung in möglichst objektiver Weise wirklich gerecht zu werden, und entsprechend selten. So entscheidet dann oft die "Eignung" - oder eben das, was man dafür hält.

Ist denn wirklich derjenige besonders "geeignet", der zuvor einige Jahre Personalrat war? Diejenige, die einige Jahre in der Schulverwaltung hinter dem Schreibtisch gearbeitet hat? Sind es diejenigen, die in Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Parteien Kontakte geknüpft haben? Oder diejenigen, die "nie Probleme hatten" (weil sie sich immer "abgesichert" haben), "nie Probleme machten" (weil sie nie widersprochen haben)? Diejenigen, die von ihrem Schulleiter (=Beurteiler) als "besonders loyal" gerühmt werden (weil sie immer ganz genau seiner Meinung waren)? Besteht Konsens, dass für Schulleiter ein vollkommen anderes Eignungsprofil erforderlich ist als - beispielsweise - für Parteifunktionäre oder AIG-Manager? Dass Exzellenz in jedem Fall vor Eloquenz gehen sollte?
Könnte es sein, dass man zur Verhinderung "unbotmäßiger" Schulleiter (die baden-württembergischen Hauptschulrebellen lassen grüßen!) Charaktere in Kauf nimmt, die dem Radfahrer-Klischee nahe kommen - die also nicht nur wie gewünscht nach oben buckeln, sondern eben auch nach unten treten?
Könnte es sein, dass sich unter den gegebenen Umständen so mancher "Richtige" - engagierter und befähigter Pädagoge mit Leib und Seele, (deshalb) mit Ecken und Kanten, den Grundregeln eines menschenwürdigen Zusammenlebens verpflichtet, zur Empathie, zur realistischen Selbsteinschätzung, zur selbstkritischen Reflexion, zur Einsicht in eigene Fehler und zur Änderung eigenen Verhaltens fähig, vor allem aber: sach- und nicht machtorientiert - gar nicht erst bewirbt?

Und nach der Stellenbesetzung: liegt der Fehler dann wieder im System - in einer "zu unkritischen Haltung [der Schulaufsicht] gegenüber dem dienstlichen Handeln der Schulleiter", wie Horst Kasper meint? Ist der Lehrerberuf also schlicht und einfach besonders attraktiv für mittelmäßige, aber macht- und karriereorientierte Zeitgenossen mit Charakterdefiziten (oder sogar psychopathologischen Störungen), die anderswo - in einem fairen Leistungswettbewerb - nicht die Spur einer Chance hätten? Das sind unangenehme Fragen, denen sich die Schulen und ihre Aufsichtsbehörden aber im Interesse (fast) aller Beteiligten stellen sollten. Eine noch weitergehende Stärkung der Vorgesetzten-Macht, wie sie in Bund und Ländern im Besoldungs- und Disziplinarrecht erwogen und z. T. bereits realisiert wird, ist dafür ganz sicher nicht der richtige Weg.

In Verantwortung für unsere Schülerinnen und Schüler, verpflichtet durch den gesetzlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag, verpflichtet auch den Werten einer humanitären, freiheitlichen, rechtsstaatlichen Grundordnung sollte vielmehr Konsens sein: Wer - sei es nun aufgrund einer Kombination von Unfähigkeit mit charakterlichen Defiziten oder aufgrund einer behandlungsbedürftigen, antisozialen Persönlichkeitsstörung - seinen Führungsanspruch mit politischen Mafiamethoden wie Machtmissbrauch, Günstlingswirtschaft, Einschüchterung und Diffamierung verteidigt, wer zur Selbsterhöhung Menschen herabsetzt und gegeneinander ausspielt, wer Schulqualität auf dem Altar seines persönlichen Größenwahns opfert, ist an seiner Führungsaufgabe gescheitert. Er hat damit an den Schalthebeln pädagogischer Einrichtungen nichts mehr verloren und wird umgehend von seiner Position entfernt.

Es ist eine ewige Erfahrung, dass jeder Mensch, der Macht in Händen hat, geneigt ist, sie zu missbrauchen.
Er geht so weit, bis er Schranken findet.

Montesquieu, "Geist der Gesetze"

*) "Mobbing in der Schule, vor allem unter Lehrern, ist deshalb eine speziell schlimme Art von Mobbing, weil in der Schule soziales Lernen gelehrt wird. Die sekundäre Sozialisation, die Schüler auf ihre Rolle in der Gesellschaft vorbereitet, findet überwiegend in der Schule statt. Das heißt, wenn die Schüler die Vorgänge beobachten können, lernen sie Mobbing. Und nicht zuletzt wirkt es sich nachteilig auf das Klima einer Schulgemeinschaft aus." (Annika Lüders auf der empfehlenswerten Seite des Cornelsen-Verlags "Kontext Schule - Mobbing im Lehrerzimmer (Oktober 2006)". Dort finden sich auch weiterführende Links.)

**) In anderen Fällen entsteht Mobbing, indem Probleme, für die eigentlich andere - oder alle gemeinsam - die Verantwortung tragen müssten, zur eigenen Entlastung auf ein geeignet erscheinendes Opfer projeziiert werden. Um Macht und Machterhalt geht es natürlich auch hier. Und in einzelnen (seltenen?) Fällen handelt es sich bei den Mobbern - leider auch im Schulbereich - ganz einfach um aggressive Psychopathen, denen es Vergnügen bereitet, Menschen zu zerstören und zu demütigen.

***) Aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Erfurt vom 15.02.2000, AZ 5 Sa 102/2000: "Der Staat, der Mobbing in seinen Dienststellen und in der Privatwirtschaft zulässt oder nicht ausreichend sanktioniert, kann sein humanitäres Wertesystem nicht glaubwürdig an seine Bürger vermitteln und gibt damit dieses Wertesystem langfristig dem Verfall preis."

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Kleiner Nachtrag aus dem Leitartikel der FAZ vom 21.06.2005, Thema "Der leistungsorientierte Beamte":
(...) "Die Einführung von Leistungsstufen steht und fällt mit den Vorgesetzten und den Beurteilungskriterien, die sich schon oft als wenig überzeugend und kaum gerichtsfest erwiesen haben. (...) ... die Praxis (wird) zeigen, ob das neue Bezahlungssystem, bisher ein mildes Lüftchen, den erwünschten frischen Wind oder nur die von Kritikern befürchteten Loyalitätszuschläge in die deutschen Amtsstuben bringen wird."
Im Klartext: "Loyalitätszuschläge" für die Einen - "Mobbing-Abschläge" für die Anderen? Die Erfahrungen von Horst Kasper (und anderen) berechtigen nicht gerade zur Hoffnung, dies sei zu verhindern.

Fisch - nicht mehr ganz frisch

Und noch ein Nachtrag: Pressemitteilung des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 25.07.2007
Der Ministerrat hat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Landesdisziplinarrechts zur Anhörung freigegeben. (...)"... die Anwendung der neuen Vorschriften wird für alle Beteiligten einfacher. Ich sehe darin den ermutigenden Einstieg in die Dienstrechtsreform." Das sagte Innenminister Heribert Rech am Mittwoch, 25. Juli 2007, in Stuttgart. (...) Nach dem Gesetzentwurf des Innenministeriums würden Disziplinarverfahren künftig genauso wie alle anderen Verfahren im Dienstrecht vom Dienstherrn selbst geführt werden. Er leite das Verfahren ein, führe es durch und verhänge gegebenenfalls eine Disziplinarmaßnahme. Sollte der Beamte wegen eines Dienstvergehens entlassen werden und sei damit nicht einverstanden, könne er die Verwaltungsgerichte anrufen. (...) Künftig solle die Gesamtverantwortung für das Verfahren von der Einleitung bis zum Abschluss direkt beim Dienstvorgesetzten liegen. Das stärke die Personalverantwortung der Behördenleiter vor Ort (...) Künftig solle es sich für den Beamten nicht mehr lohnen, das gerichtliche Verfahren über eine Entlassungsverfügung in die Länge zu ziehen. Für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens werde stets ein Teil der Bezüge einbehalten. (...) "Wir möchten, dass das Gesetz bald in Kraft tritt", sagte Innenminister Heribert Rech.
Dazu der Beamtenbund Baden-Württemberg (BBW) im dbb-magazin Oktober 2007 unter der Schlagzeile "Dem BBW geht der Machtzugewinn des Dienstvorgesetzten entschieden zu weit":
(...) meldet der BBW jedoch erhebliche Bedenken gegen eine Reihe der geplanten Neuregelungen an, insbesondere dagegen, dass die Disziplinarbefugnis der Behörden auf alle Disziplinarmaßnahmen erweitert werden soll, und dass die Verfahrens- und Entscheidungszuständigkeit für diese Maßnahmen grundsätzlich beim Dienstherrn liegen sollen. (...) Gleichbedeutend mit dem Ziel der Beschleunigung ist jedoch für den BBW das Schutzinteresse jedes einzelnen Beamten und jeder einzelnen Beamtin. Der BBW sieht daher den durch den Gesetzentwurf eingeschlagenen Weg insbesondere im Hinblick auf die Erweiterung der Disziplinarbefugnisse der Disziplinarbehörden und die Zuständigkeit des Dienstvorgesetzten sehr kritisch. (...) Außerdem befürchtet der BBW, dass die Gefahr eines Missbrauchs der Disziplinarbefugnis durch die angestrebte Zuständigkeitsverlagerung größer werden könnte. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf "missliebige" Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel gerechtfertigte Einwände gegen Maßnahmen des Dienstvorgesetzten erhoben oder auf andere Weise ungerechtfertigt "in Ungnade" gefallen sind. (Ende des Zitats)

In der Tat. Wenn selbst dem konservativen Beamtenbund bei den geplanten Änderungen mulmig wird, sollte man eigentlich auch in der baden-württembergischen Landespolitik nachdenklich werden. Verwaltungsvereinfachung, Beschleunigung von Verfahren - alles richtig und wünschenswert. Aber um diesen Preis?

Das neue Disziplinarrecht wäre eben auch eine verheerende Waffe in den Händen von führungsschwachen, egozentrischen und überforderten Vorgesetzten im Konflikt mit kritischen Mitarbeitern ("Untergebenen" ist wohl das treffendere Wort). In Mobbingprozessen würde es geradezu ungeahnte Möglichkeiten der "Disziplinierung" eröffnen. Anzunehmen, dass so mancher dieser Dienstvorgesetzten - der vielleicht sogar bisher, weil allzu durchsichtig, mit Disziplinarverfahrensanträgen gegen seine Opfer an den übergeordneten Behörden scheiterte - voller Vorfreude den Tag der Gesetzesverkündigung kaum erwarten kann, an dem er endlich, endlich! selbst Herr des Verfahrens sein wird ...
Der Verweis auf die Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung ist angesichts der Überlastung der zuständigen Verwaltungsgerichte und damit der stark zeitverzögerten Terminierung entsprechender Verfahren fragwürdig (und übrigens, wer sich gegen als ungerechtfertigt empfundene Vorwürfe wehrt, will sicher kein Verfahren "in die Länge ziehen" - ganz im Gegenteil).
Täter werden Richter. Die geplanten Regelungen würden die verzweifelte Situation, in der sich Mobbing-Opfer oft ohnehin befinden, noch hoffnungsloser, noch unerträglicher machen. Der Mobbing-Täter wäre gleichzeitig der Richter seines Opfers! Ich befürchte, dass in diesen Fällen die Zahl der ernsthaften Erkrankungen, ja sogar die Zahl der Selbstmorde steigen würde. Ich befürchte auch, dass an die Stelle des Klischees vom "faulen Beamten" (das wirklich nur ein Klischee ist) künftig das Klischee des "kriechenden Beamten" treten würde (wobei letzteres dann vielleicht kein Klischee wäre).
Weiß man in Stuttgart wirklich, was man da tut?

Nachtrag 2008: Mitteilung des Beamtenbunds Baden-Württemberg vom 29.07.2008
"Vor einem Jahr hatte das Innenministerium einen Gesetzentwurf zur Reform des Disziplinarrechts vorgelegt. Jetzt hat sich erstmals der Landtag mit dem Reformwerk befasst. (...) Infolge des Anhörungsverfahrens wurde der Entwurf überarbeitet. Bedenken und Anregungen wurden zu einem guten Teil berücksichtigt, was der BBW wie auch alle anderen Beteiligten mit Lob kommentieren. Die Warnungen vor der Macht der Vorgesetzten sind allerdings noch immer nicht vollkommen verstummt. (...) Für den BBW bezog BBW-Justitiarin Susanne Hauth Position. Sie vertrat gegenüber dem Blatt die Ansicht, die übrigens auch der DGB und unabhängige Experten teilten, dass das Innenministerium mit seinem ersten Entwurf über das Ziel hinausgeschossen sei. (...) Dem BBW geht dies [die Überarbeitung] nicht weit genug. (...) Das Recht des Vorgesetzten, einen Mitarbeiter aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, könnte dem Lebenszeitprinzip und damit der Verfassung widersprechen."

 

 

Das Zitat (5): Bericht über die Zerstörung eines Menschen
"Welt am Sonntag" Nr. 44 (4. November 2007), S. 57: "Mobbing: Der Feind im eigenen Büro" - Bericht über den Fall eines Oberarztes, der vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt verhandelt wurde
"Mobbing ist ein nicht nur in deutschen Krankenhäusern immer häufigeres Vorkommnis im Arbeitsleben. Dem Mobbingreport von Meschkutat, Stackelbeck und Langenbeck zufolge, der allerdings noch aus dem Jahre 2002 stammt, ist in Deutschland von einer Mobbingquote von 2,7 Prozent bei allen Beschäftigten auszugehen. Jeder 37. Arbeitnehmer müsste demnach davon betroffen sein.
Solche Konflikte im Arbeitsleben haben in der Regel einen typischen Verlauf. Im jetzt entschiedenen Fall waren die Repressalien, denen sich der Oberarzt seit Mai 2002 ausgesetzt fühlte, umfassend. Sie reichten vom kurzfristigen Streichen eines genehmigten Urlaubs, einer inhaltlich unzutreffenden Abmahnung, dem Vorwurf fachlicher Fehler im Beisein von Kollegen, dem Entzug eines Einzelarbeitsplatzes, dem Verbot, an der Visite teilzunehmen, und der kurzfristigen Terminverlegung einer Dienstbesprechung, ohne darüber informiert zu haben.
In der Regel bestreitet der Mobber solche Vorwürfe, die auch schwer zu beweisen sind. Zeugenaussagen bleiben in Gerichtsverfahren oft unkonkret, oder sie können sich nicht genau erinnern, da es sich meist um Mitarbeiter des Mobbers handelt. Und die wollen naturgemäß ihre eigenen beruflichen Entwicklungschancen nicht gefährden. (...) Allerdings bejahten die Erfurter Richter einen Schmerzensgeldanspruch, da der Oberarzt in seiner fachlichen Qualifikation herabgewürdigt worden und infolge dessen psychisch erkrankt sei."

Zum Begriff "Mobbing" führt die WamS weiter aus:

"Als Mobbinghandlungen gelten beispielsweise: Gerüchte verbreiten, Leistung schlechtmachen oder Arbeitsergebnisse vernichten. Auch eine ungleiche Verteilung der Arbeitslast, ungerechtfertigte Abmahnungen und Drohung mit Kündigung oder das Bloßstellen vor Kollegen gehören dazu. (...) Üblicherweise richten sich die Attacken gegen das Selbstwertgefühl des Betroffenen mit dem Ziel, ihn in seiner Position zu schwächen. (...) Mobbing findet auf allen Hierarchieebenen statt - nicht nur im Büro. Auch in deutschen Schulen ist das Phänomen des Mobbings zunehmend ein Problem."
Jeder 37. Arbeitnehmer (an den Schulen wohl noch ein paar mehr). Mobbing - de facto ein "legales Verbrechen"? Einer Empfehlung der EU aus dem Jahr 2002, Mobbing per Gesetz als Straftat zu werten, ist Deutschland jedenfalls nicht gefolgt...
Nachtrag aus der FAZ vom 29./30.12.2007, Rubrik Arbeitsrecht, Beitrag "Mobbing: Auch die Verletzungen von gestern zählen" zu länger zurückliegenden Mobbinghandlungen:
(...) "Mobbing ist ein Sonderfall, entschied das Bundesarbeitsgericht: Man müsse in einer 'Gesamtschau' prüfen, ob die Tathandlungen im Nachhinein als ein 'übergreifendes systematisches Vorgehen' erschienen. Wenn ja, müssten die Gerichte auch ältere Vorfälle berücksichtigen. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.5.2007, Az.8 AZR 709/06"

 


Das Zitat (6): In Freiheit das Neue denken - oder: Wem nützen die Naturwissenschaften?
"Frankfurter Allgemeine Zeitung" Nr. 68 (20. März 2008), S. 8: "Nicht ohne die Naturwissenschaften" - ein Plädoyer für die umfassende Talentförderung jedes Kindes
Ein Beitrag von Hubert Markl, ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft
Zurzeit herrscht eine maßlose Kindervergötterung, die den Kindern eher schaden als nutzen könnte. Es tun sich vor allem manche kinderlose Politiker und Politikerinnen und ebenso kinderlose katholische katholische Bischöfe damit hervor, wie großartig sie doch gerade Kinder fänden. Dabei ist noch gar nicht sicher, ob nicht manche der hochgepriesenen Naturschätze, wie wir wissen und immer wieder zu hören bekommen: auch unsere einzigen, später als herangewachsene Drogenabhängige oder U-Bahn-Schläger nicht unbedingt so wertvoll zum Wohle unserer Gesellschaften beitragen werden, wie uns immer wieder verkündet wird. Bleiben wir also zugleich liebevoll zu Kindern und doch nüchtern. Bei aller Skepsis bleiben viele Kinder immer noch Edelsteine, die uns bereichern, aber ungeschliffen glänzen sie nicht! Und so wie wir Kinder heute formen (oder verformen), werden auch die Erwachsenen von morgen sein. Wer Talente in allen Wissenschaften fördern will, muss möglichst allen Kindern - unserem ganzen Talentvorrat also - dazu helfen, dass sich die wenigen Besten daraus entwickeln können, und das auf allen Gebieten! (...)
Die wirklich kreativen Neuerer, jene also, von denen unser Wohlergehen künftig besonders abhängen wird, zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie nicht das Alte bestens repetieren und reparieren, sondern das Neue denken können, das eben deshalb neu ist, weil es vorher noch keiner vorhersah. (...) Es wäre allerdings eine Illusion zu glauben, unter all den Geistes- und Sozialwissenschaftlern wären viele Ingenieurstalente verborgen, die man nur ordentlich herauslocken müsste. Es ist nämlich eine recht seltsame Erfahrung: Talente für Maschinenbau oder Flugzeugtechnik, Werkstoffentwicklung oder Chemieprozesse, Atomphysik oder Biochemie entwickeln sich schon heute meist überwiegend aus eigener Befähigung und Neigung, genauso wie andere Berufsarten, und noch so viel Hingerede macht aus einem geborenen Historiker oder Journalisten noch lange keinen geborenen Lasertechniker oder Chirurgen. (...)

"Es könnte sich nämlich durchaus erweisen, dass es den Geisteswissenschaften umso besser geht, je mehr die Natur- und Technikwissenschaften in einer Gesellschaft gefördert werden!"

In Deutschland wurden 2007 die Geisteswissenschaften besonders gewürdigt - manche meinen schon: geradezu mit Selbstglorifikation überschüttet -, immer begleitet von forderungsvollen Gesängen, die Geisteswissenschaften seien doch weit unterschätzt und grob unterfördert (vermutlich so lange, bis auch der letzte Student sich für Philosophie oder Literaturwissenschaft inskribiert hat). Insofern entbehrt es nicht einer gewissen Logik, wenn nun 2008 bei uns auf das Jahr der Geisteswissenschaften jenes der Mathematik folgt. Denn wir wissen, dass ohne Fortschritte in der Mathematik kein Fortschritt in den angewandten Natur- und Technikwissenschaften möglich wäre. Es war durchaus richtig, ein Jahr lang hervorragende Leistungen der Geisteswissenschaften herauszustellen, solange man keine falschen Schlussfolgerungen daraus zieht. Es könnte sich nämlich durchaus erweisen, dass es den Geisteswissenschaften umso besser geht, je mehr die Natur- und Technikwissenschaften in einer Gesellschaft gefördert werden! Weil diese jene Gewinne erwirtschaften, die es uns erst gestatten, die großen Kulturgüter wie Bibliotheken, Archive und Sammlungen zu erhalten und allen öffentlich zugänglich zu machen. Und nicht etwa umgekehrt! (...)

 

Schneller finden ...

Suchmaschinen sind nicht jedermanns Sache ("65432 Treffer")...

Wer als Schüler/in oder Lehrer/in gerade mal schnell eine fachbezogene Site braucht, sollte es zunächst hier versuchen:
Die Autoren haben eine Auswahl getroffen, das Angebot ist übersichtlich und es wird auch gepflegt.

 

"Entwürfe online" bietet für viele Fächer - auch für Chemie - kommentierte Links und Online-Materialien, geordnet nach Klassen und Jahrgangsstufen.

  "Gute-Noten.de" bietet eine kleine, aber feine Auswahl von Links zu den einzelnen Fachgebieten.  
   
Wer fertige Referate und/oder Nachhilfe sucht (auch zur Chemie), sollte das hier tun:

hausarbeiten.de
fundus.org
kosh.de

 

 

 

 

 

 

 

... und Materialien im WWW

Wer sich eine Übersicht der Homepage-Schulen sowie der Materialien und Quellen für Schulen im Internet verschaffen will, sollte unter anderem die folgenden Links nutzen:

Humboldt-Universität Berlin -Schulweb - die Mutter aller Schulwebs
Deutscher Bildungsserver - unerschöpfliche Materialenquelle
Zentrale für Unterrichtsmedien - riesige Linksammlungen aller Fächer
Unterrichtsmaterialien für Schulen (Österreich) - dasselbe in Austria
"Schulen ans Netz" - und dann??
learn:line - Bildungsserver NRW - nachahmenswert, auch im Süden

 

 

... und Lehrer im WWW

Hier werden gelungene Chemie-Präsentationen, Schüler-Chemie-Seiten und Lehrertreffpunkte im Web vorgestellt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Bierprojekt Saywecker-Bretterknaller Die Schüler des staatlichen Eifel-Gymnasiums Neuerburg - Chemie-LK 12 - führen unter Anleitung von H. Schickor in die Kunst des Bierbrauens ein.
Die HMO-Site ... von Björn Wittich, engagierter Mitstreiter im Nachhilfe-Forum der Schulchemie-Website, ist mathematisch-chemisch interessierten Schülern (und Lehrern!) wärmstens zu empfehlen.
Lehrer-Online Top-Empfehlung Wie der Name schon sagt. Mit Forum, Chat, Pinwand, Unterrichtsmaterialien (Chemiebereich!) zum Download ...
Inzwischen eine echte Top-Adresse für alles, was mit Schule und Unterricht zu tun hat!
TeacherNews Auch hier: Nomen est omen. Der Schwerpunkt liegt auf Aktualität und Nachrichten.
Schule-Online (Schroedel) Empfehlenswerter Lehrertreff des Schroedel-Verlags mit hohem Nutzwert!

 


Hinweis Termine finden sich im lehrer-online-Chemiebereich (unter "Termine", natürlich).

 

(Falls - bei "Seiteneinsteigern", die nicht über die Homepage gekommen sind - der Navigationsbalken mit dem Inhaltsverzeichnis nicht
zu sehen ist:

Hier klicken! Dann kommt die Frames-Version).